Fit für die Energiewende
Was tun, wenn Windparks oder Solarkraftwerke mehr Strom erzeugen, als gebraucht wird? Eine Antwort auf diese Frage bietet die Power-to-Heat-Anlage, die jetzt im Fernheizkraftwerk in Betrieb ging. Mit der Innovation trägt TWL als einer der Vorreiter in Deutschland zum Gelingen der Energiewende bei.
Wer in den 70er-Jahren Kaffee oder Tee kochte, nahm dazu häufig einen Tauchsieder, ein Elektrogerät mit spiralförmigen Heizstäben. In eine Tasse getaucht, brachte er kaltes Wasser blitzschnell zum Sprudeln. Wie ein großer Tauchsieder funktioniert auch die neue Power-to-Heat-Anlage, die TWL Mitte Juni im Fernheizkraftwerk in Betrieb nahm. Die Anlage wandelt Strom in Wärme um – und zwar immer dann, wenn kurzzeitig zu viel Strom zur Verfügung steht. So wird das, was an Strom vorübergehend zu viel vorhanden ist, abgeführt und sinnvoll genutzt. TWL gehört damit zu den Vorreitern in Deutschland. Bundesweit sind aktuell 17 Power-to-Heat-Anlagen am Netz.
Power-to-Heat für die Energiewende
Auf den ersten Blick wirkt die Anlage vergleichsweise unspektakulär: zwei silberne Röhren, ein paar Kabel, weitere Röhren in blau und grün. Doch das jüngst abgeschlossene Wachstumsprojekt von TWL ist eine der innovativsten Lösungen, um die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen. Im Jahr 2050 sollen 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zwar konnten 2014 bereits 26,2 Prozent des Bedarfs in der Bunderepublik mit Strom aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden, allerdings fehlen bislang zuverlässige Energiespeicher.
„Ohne zuverlässige Speicher kann es keine Energiewende geben. Dafür leisten wir mit unserer Innovation einen wichtigen Beitrag.“
Andreas Bach, Leiter Großanlagen Fernheizkraftwerke bei TWL
Doch gerade sie spielen bei der witterungsabhängigen Energieerzeugung mit Solar- oder Windkraftanlagen eine wichtige Rolle. Ohne sie kann überschüssige Energie in Hochlastzeiten – etwa im Sommer oder bei lang anhaltenden Windperioden – nicht ausreichend gespeichert werden. Deshalb müssen in Zeiten mit wenig Sonne und Wind weiterhin Kohle- und Gaskraftwerke zugeschaltet werden. „Die größte Herausforderung der Energiewende ist es, zuverlässige Speicher zu entwickeln. Ohne Speicher kann es keine Energiewende geben“, sagt Andreas Bach, Leiter Großanlagen Fernheizkraftwerk bei TWL und Projektleiter beim Bau der Power-to-Heat-Anlage.
Um zu verhindern, dass klimafreundliche Erzeugungsanlagen vom Netz genommen werden müssen, kommt es darauf an, das temporäre Überangebot an Strom abzuführen und sinnvoll zu nutzen. Dazu leistet TWL mit der neuen Power-to-Heat-Anlage einen Beitrag. Ist die Strommenge im Netz zu groß, geht die Anlage in Betrieb: Die beiden Prozesserhitzer heizen Wasser von 70 auf bis zu 130 Grad Celsius auf. Jeder von ihnen hat eine Leistung von fünf Megawatt (MW), so viel wie 3.300 Wasserkocher. Anschließend speist die Anlage das erhitzte Wasser ins Fernwärmenetz ein.
Energiespeicher zur Einsparung fossiler Brennstoffe
Besteht dort gerade kein Bedarf, etwa im Sommer, wird die produzierte Wärme im angeschlossenen Wärmespeicher zwischengespeichert, um sie bei Bedarf wieder ans Energienetz abzugeben. Dieser fasst 1.200 Kubikmeter Fernwärmewasser – soviel wie in 8.000 randvoll gefüllte Badewannen passt –, und verfügt über eine Leistung von 40 MW. Für den Wärmespeicher baute TWL im vergangenen Jahr einen bestehenden Heizöltank um. Der Speicher spart bei der Wärmeerzeugung Primärenergie, in erster Linie Gas. Wird aus dem Speicher Wärmeenergie ausgespeist, muss der Heizkessel nicht mit fossilen Brennstoff en laufen. „Mit der Power-to-Heat-Anlage können wir sowohl Regelenergie zum Ausgleich kurzfristiger Erzeugungs- und Verbrauchsschwankungen erbringen, als auch gezielt Wärme für unser Fernwärmenetz erzeugen. Damit ist sie ein weiterer Baustein zur sicheren Versorgung unserer Kunden“, fasst Andreas Bach die Vorteile zusammen.
Vermarktet wird die regenerative Regelenergie durch den Partner Clean Energie Sourcing (CLENS). Anfang Juni griff das Unternehmen zur Stabilisierung des Stromnetzes erstmals auf die Power-to-Heat-Anlage von TWL zurück – und diese bestand ihre Feuerprobe mit Bravour: Für rund 20 Minuten erbrachte sie 4,1 MW Regelleistung. Die TWL-Anlage hat im Vergleich zu anderen eine sehr kurze Reaktionszeit und erreicht die Leistung in deutlich weniger als den geforderten fünf Minuten. „TWL verfügt über moderne Anlagen, die notwendige Infrastruktur sowie das anlagentechnische Know-how. Wir von CLENS garantieren rund um die Uhr eine optimale Vermarktung im virtuellen Kraftwerk. Solche Kooperationen sind der richtige Weg, um die Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt weiter voranzutreiben“, betont Dr. Frank Baumgärtner, Vorstand von CLENS.
„Unsere Power-to-Heat-Anlage ist ein wichtiger Baustein zur sicheren Versorgung unserer Kunden.“
Andreas Bach, Leiter Großanlagen Fernheizkraftwerk TWL
Dass die Anlage nun so reibungslos läuft, liegt vor allem am Engagement des TWL-Projektteams. Acht Monate lang hatten Andreas Bach und seine Kollegen die Anlage geplant, anschließend steuerten und begleiteten sie den Bau, der ein halbes Jahr dauerte. „Wir mussten im Vorfeld jedes Detail bedenken, weil wir die neue Anlage in das bestehende Kesselhaus integrieren mussten“, betont Bach. „Das war eine große Herausforderung. Wir konnten uns ja nicht, wie andere Versorger, einfach auf der grünen Wiese ausbreiten.“ Die TWL-Verantwortlichen mussten zudem gewährleisten, dass das Netz, in das die Energie eingespeist wird, durch das Ab- oder Einschalten der Anlage nicht beeinträchtigt wird. Denn der Einschaltstrom liegt normalerweise bis zu zehn Mal höher als der Nennstrom, also der Strom, den ein elektrischer Apparat im Normalbetrieb verbraucht. Den Experten bei TWL gelang es, diesen so genannten „Einschalt-Rush“ drastisch zu reduzieren: auf das 0,05-fache.
Da für die hohen elektrischen Ströme große Kabelquerschnitte notwendig waren, mussten die Kabelwege wiederum so kurz wie möglich gehalten werden, um den Spannungsverlust zu reduzieren. „Um Platz zu sparen und die Kabel kurz zu halten, haben wir uns dazu entschieden, den Schaltraum direkt über die Anlage zu bauen. Hierzu musste das bestehende Kesselhaus statisch aufwändig untersucht und ertüchtigt werden“, erläutert Projektleiter Andreas Bach. Die speicherprogrammierbare Steuerung der Elektroerhitzer ist mit der Querverbundleitwarte von TWL verbunden, die – wenn Regelenergie angefordert wird – die reibungslose Lieferung überwacht. Die beiden Prozesserhitzer lassen sich aber auch direkt über Monitore an den Schaltanlagen bedienen und beobachten.
Investition sichert Position als Energieanbieter
Rund 1,5 Millionen Euro investierte TWL in die Power-to-Heat-Anlage sowie 1,2 Millionen Euro in den Wärmespeicher. Mit dieser Investition stellt sich das Unternehmen einmal mehr für die Zukunft auf und stärkt seine Position am Energiemarkt. Andreas Bach ist sich sicher: „Die Anlage wird sich für TWL auszahlen, denn sie ermöglicht es uns, nicht nur auf Schwankungen im Netz flexibel zu reagieren, sondern auch auf die Anforderungen der Energiewende.“