Oggersheimer Verein fördert Kinder und Erwachsene
Der Reiterhof Kinderhilfe bietet ein Refugium des Glücks wo man es nicht erwarten würde. Im Gewerbegebiet Ludwigshafen-Oggersheim fördert der Verein mit seinen vierbeinigen Therapeuten seit fast 50 Jahren Menschen mit Handicap.
Jeden Dienstag und Mittwoch kommt Andrea Bach auf den Reiterhof Kinderhilfe nach Oggersheim. „Den Pferden verdanke ich einen Großteil meiner Lebensqualität“, erzählt die ehemalige Turnierreiterin, die 1991 an Multipler Sklerose erkrankte. Ein Speziallift hebt sie auf den Rücken von Michel, einem Schwarzwälder mit ebenso wachen wie gutmütigen Augen. „Ohne Hilfe wäre das undenkbar“, erzählt Annette Bach die durch ihre Krankheit unter extremen Spastiken leidet. „Man kann sich das so vorstellen, als ob der gesamte Körper verkrampft und versteift“, schildert sie ihr Handicap. „Anfangs mussten mich zwei Personen links und rechts vom Pferd mühsam stützen. Heute begleiten sie mich ‚nur’ noch, um mich ein wenig zu stabilisieren“, freut sie sich über diese enorme Entwicklung. Diese verdankt sie ihrer Therapie auf dem Reiterhof Kinderhilfe e.V.
Vierbeinige Therapeuten auf dem Reiterhof Kinderhilfe
Wie Annette geht es vielen kleinen und großen Patienten, die regelmäßig auf den Reiterhof Kinderhilfe kommen und in den Vierbeinern der Einrichtung sanfte Therapeuten vorfinden. Je nach Indikation bietet der Verein verschiedene Ansätze für sie an: „Die Hippotherapie ist zum Beispiel auf motorische Schwächen ausgerichtet. Sie kann helfen, den Muskeltonus zu normalisieren, das Gleichgewicht zu verbessern oder die Muskeln zu kräftigen“, erklärt Christine Wanzek-Heringer, Reit- und Voltigier-Ausbilderin auf dem Reiterhof Kinderhilfe. Heilpädagogisches Voltigieren oder Reiten ziele hingegen eher darauf ab, die geistige und soziale Entwicklung zu unterstützen. „Und nicht zuletzt können beim ‚Reiten für Menschen mit Behinderung‘ Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne körperliche Beeinträchtigung gemeinsam reiten lernen und ungeahnte Erfahrungen machen“, sagt Christine Wanzek-Heringer.
Aktuell reiten rund 250 Mitglieder auf dem Reiterhof Kinderhilfe. Der Verein, der vor fast 50 Jahren von engagierten Eltern initiiert wurde, hat sich inzwischen längst zu einer Anlaufstelle für Jung und Alt entwickelt. Und das auf hohem Niveau. Bereits 1994 wurde der Reiterhof vom „Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten“ als anerkannte Therapieeinrichtung zertifiziert. So achten die Verantwortlichen sehr genau darauf, mit welchen Tieren sie arbeiten: „Unsere Therapiepferde sind unsere wichtigsten Mitarbeiter. Wir wählen sie sorgfältig nach ihrem Charakter und ihrer Bewegungsqualität aus und prüfen, ob sie sich für den Einsatz in der Therapie eignen. Ihr freundliches Wesen hilft auch Menschen ohne Pferdeerfahrung, schnell einen Zugang und Vertrauen zu ihnen zu finden“, erklärt die Pferdefachfrau.
Die Reittherapie mit Michel ist fünfmal effektiver als ‚normale’ Krankengymnastik.
Annette Bach, Patientin
TWL spendet für ein neues Pferd für den Reiterhof
Zurzeit unterhält der Reiterhof Kinderhilfe 17 Therapiepferde. Mit welchen Kosten das einhergeht, kann man sich leicht vorstellen. „Gleichzeitig wird die Pferdetherapie trotz bemerkenswerter Erfolge immer noch nicht von den Krankenkassen erstattet“, bedauert Christine Wanzek-Heringer. Um die Kosten für die Patienten und Reiter überschaubar zu halten, ist der Verein auch auf Zuwendungen angewiesen. Die 5.000 Euro aus der TWL-Weihnachtsspende kamen deshalb gerade recht. Mit ihr kann ein neues Therapiepferd – als Ergänzung zum übrigen Pferdebestand im relativ fortgeschrittenen Alter – angeschafft werden. „Wir freuen uns, dass wir mit unserer Weihnachtsspende einen Beitrag zu der wichtigen Arbeit des Reiterhofs leisten können. Der Verein verbindet auf wunderbare Weise therapeutische Ansätze mit dem Spaß am Sport“, sagt Dr. Iris von Kirschbaum, die Leiterin der Unternehmenskommunikation bei TWL.
Das kann Annette Bach nur bestätigen. Sie ist glücklich, dass sie über die Reittherapie an ihre alte Leidenschaft, den Pferdesport, anknüpfen kann. Wenn sie zweimal wöchentlich ihre Einheiten auf dem Reiterhof Kinderhilfe absolviert hat, sagt sie, „sind sämtliche Muskelgruppen im ganzen Körper entspannt, und ich fühle mich für ein paar Tage deutlich besser“. Bis zur darauffolgenden Woche bauen sich die Beschwerden dann wieder langsam auf. „Dass ich sie aber dank Michel und meinen Betreuern in Schach halten kann, ist eine große Erleichterung für mich“, erzählt Annette Bach und freut sich bereits auf den nächsten Dienstag.